Google muss aufpassen. Die Stimmung wendet sich zusehends gegen den Internetkonzern. Dabei tut der eigentlich nur das Gleiche wie seit Jahren – die mit weitem Abstand populärste Internetsuche anbieten, mit den Anzeigen um diese Suche herum viel Geld verdienen, mit diesem Geld jede Menge praktische Dienste entwickeln und diese jedermann (zumeist kostenlos) anbieten.
Wer diese praktischen Dienste richtig effektiv nutzen will, der muss freilich Google dazu auch ein paar Dinge über sich verraten. Wieviel ein jeder preisgibt, lässt sich sehr granular steuern und bleibt auch jedem selbst überlassen; ebenso wie überhaupt niemand die Suche und übrigen Services von Google nutzen muss. Ich finde es deswegen vollkommen verkehrt, über Google als „Datenkraken“ oder Monopolisten zu reden. Google ist Marktführer, und dazu trage ich jeden Tag mit Vergnügen mein Scherflein bei.
Nur damit an dieser Stelle kein Missverständnis aufkommt: Natürlich muss man sehr wohl darauf achten, dass Google mit unseren vielen Daten, die in kleinen Häppchen über seine unzähligen Server verteilt liegen, sorgfältig umgeht und kein Schindluder damit treibt. Was Google meiner Einschätzung nach schon im eigenen Interesse tut (darauf achten meine ich) und auch zukünftig tun wird. Schließlich ist die Konkurrenz im Internet immer nur einen Klick entfernt.
Nun bin ich ja von Berufs wegen Journalist. Das ist ein schöner Beruf mit sehr vielen Freiheiten. Der auch schon mal noch schöner war, Stichwort Medienkrise. Heute aber habe ich mich zum ersten Mal seit langer Zeit geschämt, Journalist zu sein. Eher fremdgeschämt allerdings. Und zwar für unsere Standesvertretung, den Deutschen Journalisten-Verband (DJV). Der fordert nämlich in personam seines Vorsitzenden Michael Konken heute eine
konzertierte Aktion mit den Urhebern gegenüber dem Monopolisten Google.
Angesprochen werden dabei explizit „Verleger und Politik“. Konken warnt vor „der wachsenden Meinungsmacht von Google“ und fordert dagegen gesetzliche Regelungen ein:
Der Gesetzgeber muss einerseits der Gratis-Kultur des Internets zu Gunsten der Urheber einen wirksamen Riegel vorschieben und andererseits die Befugnisse des Bundeskartellamtes so ausweiten, dass die Behörde Meinungsmonopole im Internet verhindern kann.
Ich weiß nicht, was der Herr Konken geraucht oder genommen oder was ihn bei diesen Aussagen geritten hat. Aber ich weiß, dass an der Gratis-Unkultur des Internets nicht Google Schuld ist. Sondern die Verlage selbst, die ihre Inhalte allesamt kostenlos ins Netz gestellt haben (wenn man von wenigen Ausnahmen wie dem „Wall Street Journal“ oder der Stiftung Warentest absieht) und jetzt das Rad weder zurückdrehen noch neu erfinden können. Und ich weiß, dass Google kein Meinungsmonopol hat. Google ist nämlich einfach ein neutraler Plattformanbieter. Über seine Plattform verbreitet es die Meinungen anderer. Wer schlau ist, der nutzt diese Plattformen zu seinem Vorteil. Wer darauf verzichtet, sie zu nutzen, ist selbst Schuld.
Womit wir auch schon bei der „Hamburger Erklärung“ angelangt wären. Dieses von Springer-Chef Mathias Döpfner angestrengte Pamphlet haben inzwischen zahlreiche Verlage unterzeichnet, die meisten davon aus Deutschland. In dem Papier heißt es:
Das Internet ist für den Journalismus eine große Chance. Aber nur, wenn die wirtschaftliche Basis auch in den digitalen Vertriebskanälen gesichert bleibt. Das ist derzeit nicht der Fall.
Und weiter:
Freier Zugang zu Webseiten bedeutet nicht zwingend kostenlosen Zugang. Wir widersprechen all jenen, die behaupten, dass Informationsfreiheit erst hergestellt sei, wenn alles kostenlos zu haben ist. Der freie Zugang zu unseren Angeboten soll erhalten bleiben, zum Verschenken unseres Eigentums ohne vorherige Zustimmung möchten wir jedoch nicht gezwungen werden.
Ungenehmigte Nutzung fremden geistigen Eigentums muss verboten bleiben. Am Ende muss auch im World Wide Web gelten: Keine Demokratie gedeiht ohne unabhängigen Journalismus.
Alles schön und gut. Die Kurzfassung aus meiner Sicht: Wir führen Paid Content wieder ein. Viel Spaß dabei (wenn die Inhalte so bleiben, wie sie derzeit sind; s.u.). Richtig ärgerlich finde ich an der „Hamburger Erklärung“ neben dem – wie beim DJV vollkommen abwegigen – Ruf nach dem Gesetzgeber aber vor allem folgenden Passus:
Zahlreiche Anbieter verwenden die Arbeit von Autoren, Verlagen und Sendern, ohne dafür zu bezahlen. Das bedroht auf die Dauer die Erstellung von Qualitäts-Inhalten und von unabhängigem Journalismus.
Welche Anbieter sind hier bitteschön gemeint? Doch nicht etwa die ganzen Autoren, Verlage und Sender selbst, die hemmungslos voneinander abkupfern, ohne sich an journalistische Grundprinzipien wie das Nennen der ursprünglichen Quelle zu halten?
Google jedenfalls kann aus meiner Sicht schwerlich gemeint sein. Denn Google tut primär eines: Auf die Inhalte von Autoren, Verlagen und Sendern verweisen, damit sie von möglichst vielen Menschen gefunden werden können.
Die Erstellung von Qualitäts-Inhalten und der unabhängige Journalismus sind in der Tat bedroht. Und zwar zu einem Gutteil durch die Verleger, welche scheinheilig die „Hamburger Erklärung“ unterzeichnet haben. Nachdem sie jahrelang die Redaktionen in ihren Medienhäusern dezimiert, die Honorare und Rechte freier Journalisten beschnitten und ihre Webseiten von teuer bezahlten „SEO-Experten“ haben klickoptimieren lassen.
Zwischen Google und den Medienhäusern gibt es einen entscheidenden Unterschied: Google ist eine Firma, die mit dem Internet groß geworden ist und das neue Medium nahezu perfekt zu nutzen versteht. Die Medienhäuser, früher Verlage genannt. kommen aus der Vorzeit des Internet. Aus dieser „guten alten Zeit“ sind sie fette Margen und Gewinne gewohnt, die ihnen nun seit Jahren wegbrechen. Und die es so nie wieder geben wird.
Das Internet mit seinen neue Möglichkeiten der Kommunikation und Vernetzung hat nämlich die Medienlandschaft und Mediennutzung grundlegend verändert*. Die Medienhäuser aber haben das viel zu lange nicht verstanden und gedacht, sie könnten einfach ihre bisherigen Produkte eins zu eins ins Netz packen und weitermachen wie gewohnt. Mit den gleichen alten Leuten und dem gleichen alten „Mindset“. Und diese gleichen alten Leute mit dem gleichen alten „Mindset“ haben immer noch das Sagen. Anders sind die DJV- und „Hamburger Erklärung“ nicht zu erklären**.
Die nächste Generation von mündigen Medienkonsumenten holt sich ihre Informationen sowieso nur noch aus dem Netz (für ein paar gut gemachte, analytische und hintergründige Zeitungen und Zeitschriften wird es natürlich trotzdem noch lange einen Markt geben). Für die Medienhäuser – und damit auch für mich – gibt es deswegen nur eine Chance: Das Internet mit seinen neuen Möglichkeiten aktiv nutzen und journalistische Inhalte in einer solchen Qualität und Exklusivität produzieren, dass die Leser dafür wieder Geld in die Hand nehmen beziehungsweise aus der Hand geben. Mit austauschbaren Agenturmeldungen oder grenzdebilen Bilderstrecken und Quizzes wird das jedenfalls nicht zu machen sein.
Von der technischen Seite brauchen wir dafür dringend noch zwei Dinge, die viel zu lange verschleppt und verschlampt worden sind: Eine andere „Währung“ für die Bewertung von Websites als die leidige Page Impression und ein auf breiter Front etabliertes, einfach zu bedienendes Micropayment-System mit geringen Transaktionskosten (!). Google brauchen wir auch, damit die wertigen Inhalte möglichst gut gefunden und möglichst weit verbreitet werden. Das können zukünftig vielleicht auch andere übernehmen; im Moment ist da aber auf breiter Front niemand in Sicht.
Langer Rede kurzer Sinn: Hört auf, Google zu verteufeln und Eure/unsere hausgemachten Probleme einer Internetfirma in die Schuhe zu schieben, die nichts dafür und Euch/uns eher helfen als schaden kann, liebe Verleger und verbliebene Journalistenkollegen!
* Zur weiterführenden Lektüre empfehle ich jedem (wirklich jedem!) das Buch „Was Würde Google Tun?“ (WWGT oder auch WWGD wegen des englischen Originaltitels) von Jeff Jarvis. Der gute Jeff bringt es einfach auf den Punkt.
** Die adäquate Antwort von Google-Mann Josh Cohen steht im European Public Policy Blog.
Kleines Update einen Tag später: Ich bin nicht der Einzige. Siehe etwa der offene Brief von Björn Sievers an Michael Konken und dieser gewohnt flapsige Tweet von Thomas Knüwer:
12 Kommentare
KommentierenGenau das richtige Doodle gewählt 🙂
Bravo!
Du hast es gut erkannt. Den Verlegern fehlt ein Geschäftsmodell.
Ich denke das beste wäre, wenn die Generation U40 mal das Ruder übernimmt. Die alten Männer mit Kugelschreiber haben überhaupt keinen Plan mehr von der Welt um sie herum und nicht bemerkt, dass sich diese in den vergangenen 20 Jahren verändert hat. Aber davon lassen sie sich auch weder beirren noch überzeugen.
Ich warte noch darauf, dass Herr Burda bei Google rausfliegt (vgl. YouTube vs. GEMA).
Vgl. Kommentar #1:
http://www.internetworld.de/Nachrichten/Medien/Bundesregierung-schaltet-sich-in-Urheberrechtsstreit-ein
Sehr gute Analyse. Ich stimme Dir voll zu.
In weiten Teilen gebe ich Dir Recht. Google hat m.E. jedoch in seinem ‚Eroberungsrausch‘ einige Fronten zu viel eröffnet. Was zum Beispiel hat sie geritten, Streetview in der Manier eines Eroberers durchzupeitschen? Allein das hat ihnen viel Imageverlust beschert, denn Datenschutz und Privatsphäre haben in Deutschland nun mal einen anderen Stellenwert und Tradition als in den USA. Das selbe bei Books: Einfach drauflosscannen und darauf hoffen, dass die Progressiven in der anschließenden Rechtedebatte über die Traditionalisten siegen, ist angesichts der Urheberrechtstradition und der betroffenen Interessengruppen einfach naiv.
Wie man gelegentlich hört, hat sich das Google HQ in der Vergangenheit ziemlich ignorant gegenüber kritischer/negative Publicity gegeben. Für diese Naivität bekommen sie nun die Quittung. Der DJV ist nicht die erste und wird sicherlich nicht die letzte Interessengruppe sein, die nun gegen Google ins Feld ziehen. Sie haben ein leichtes Spiel – denn wie man sieht, verfangen inzwischen selbst polemische und undifferenzierte Vorwürfen ganz gut. Dass es soweit kommen konnte, hat sich Google größtenteils selbst zuzuschreiben.
Ein paar Bemerkungen vorneweg: Ich bin Ü50, seit Jahrzehnten im DJV und sehe die zunehmend allumfassende Präsenz von Google mit seinen zentralisierten Datensätzen durchaus nicht so locker – ein Grund, warum wir manche durchaus praktischen Dinge so auch auf unserem Onlinemagazin lieber doch nicht nutzen (Friends Connect z.B.).
Aber zumindest was das Thema Urheberrecht und „Contentklau“ betrifft, ist die Position von Verlegern und DJV natürlich in Text gegossenes Unverständnis – da hat der Kommentar und da hat Google selbst völlig recht. Dass ist ganz so, als ob SAT1 die „Hör zu“ deswegen der Verletzung von Urheberrecht bezichtigt, weil sie das Programm abdruckt.
Die Verleger sind in der Tat selbst Schuld an ihrem Problem. Nicht weil sie ihre Inhalte kostenlos ins Netz stellen – anderes war bei Publikumsangeboten nie wirklich realistisch. Und was passiert, wenn man ein Geschäftsfeld im Web nicht besetzt, haben moobile.de, imobilienscout, monster & Co. den Verlagen schon vor Jahren schmerzhaft gezeigt. Die Verlage sind deshalb selbst schuld, weil sie nie begriffen haben, was das Web ist – und vor allem, weil sie ihr eigenes Umfeld vernachlässigt haben – die Media-Agenturen.
Mit Publikumsthemen läßt sich im Web nur über Randgeschäfte (Verlagsshops, Clubangebote für die User etc.) etwas verdienen – und eben über Werbung auf den Seiten. Dort aber haben Mediaagenturen und Verlage die Preise und die Abrechnungsformate gegen ihre eigenen Interessen und unnötigerweise so weit in die Hölle gejagt, dass sie damit nicht ansatzweise rundkommen.
Kennen Sie eine gedruckte Zeitschrift in Deutschland, die für eine Doppelseite Werbung nur dann bezahlt wird, wenn der Leser mit dem ausgeschnittenen Coupon darauf in den Laden geht und was kauft? Bei der performancebasierenden Werbung online wird das die Regel. Ist reines Branding, reine Bekanntheitssteigerung von Marken und Produkten nichts mehr wert? Bezahlt wird dafür von den Agenturen immer weniger. Das zu ändern – darin sollten die Verlage ihre Energie stecken.
Im übrigen lässt sich aller „Contentklau“ durch Google & Co. ganz schnell und einfach unterbinden: Mit einem klitzekleinen Eintrag in der robot.txt. Schon ist Ruhe. Sollen Burda, Springer & Co. das doch machen – ich zeige ihnen gerne, wie’s geht. Kostenlos. Um so mehr User werden über Google auf unsere eigenen (garantiert weiter kostenlosen) Seiten kommen, um so wertvoller wird Werbung bei uns.
Bei dem „amicus curiae“-Brief des Generalkonsuls in New York geht es um das Google Book Settlement, was m.E. nur wenig mit dem Problem der deutschen Zeitschriftenverleger zu tun hat. Etwas mehr Information als in der Internetworld gibt’s dazu in der FAZ
@Wolfgang Miedl: Da hast Du zweifellos Recht. Ich habe mich in dem Text auch ausdrücklich auf Google und die Verlage beschränkt und andere Themen bewusst außen vor gelassen. Wobei speziell die Buchsuche ein interessantes Thema ist. Das ich mir demnächst mal vornehmen werde, ist schon angedacht…
Ich sehe das nicht so. Dein Bericht ist mir zu einseitig und zu kurzsichtig gedacht. Es kann wirklich niemanden daran gelegen sein nur einen Traffic-Lieferanten zu haben. Google hat eine indirekte Meinungsmacht durch das Ranking, dass es erstellt. Außerdem ist Google dazu übergegangen selber News anzubieten, die sie bei der AP einkaufen. Da ist eindeutig die Grenze überschritten.
Ansonsten sind Deine Denkansätze nicht verkehrt. Es wird eindeutig zu oft von einander abgeschrieben.
Gute Einschätzung.
Ich arbeite seit mehr als 25 Jahren vernetzt und Google hat mein Geschäft sehr gefördert.
Die Verleger haben, nachdem sie sich vor Urzeiten mal bei BTX die Finger verbrannten ein offensichtlich gestörtes Verhältnis zu Online- Medien.
Sollte sich das kurzfristig nicht ändern, sehen die Verleger dem Schicksal der Bänkelsänger entgegen, die vor mehr als vierhundert Jahren von den ersten Zeitungsverlegern verdrängt wurden.
Wo ist der Mut geblieben, den die Verleger vor 400 Jahren einst hatten?
Wo ist deren spielerischer Umgang mit den ’neuen‘, längst etablierten Medien?
Der Ruf nach dem Gesetzgeber, bezeichnenderweise der Kampf gegen den Online- Auftritt der ARD ist vergleichbar mit dem Kampf gegen die Windmühlen. Ein fragwürdiger Sieg auf Zeit.
Rettung gibts aber nur mit Hilfe aller Mitarbeiter, neue Wege zu finden und zu verhindern, auf jenem Holzweg zu landen, den beispielsweise der Bauerverlag gerade seinen Fotografen verordnen will.
Solche Verleger scheinen noch immer nicht begriffen zu haben, dass die Medienrevolution schon längst Geschichte ist. Und Revolution heisst: Alles ist umgedreht!
So eleben wir leider in vivo den Untergang einer ganzen Kultur. Auch der kollegialen.