Google bücher – was man wissen muss

Annette Kroeber-Riel, Google-Lobbyistin in Berlin (European Policy Counsel DACH), live zugeschaltet per Videokonferenz

Goog­le hat heu­te Vor­mit­tag in Mün­chen einen Round Table für die Pres­se zum The­ma Goog­le bücher (a.k.a. Buch­su­che ali­as Book Search) ver­an­stal­tet. Ich hat­te ehr­lich gesagt ein ganz schlim­mes Brain­wa­shing befürch­tet, muss­te mich aber eines Bes­se­ren beleh­ren las­sen und fand die Run­de gelun­gen und informativ.

Ich fas­se mal zusam­men, was bei mir so hän­gen­ge­blie­ben ist:

  • Es gab in letz­ter Zeit reich­lich Ver­wir­rung und Des­in­for­ma­ti­on zum The­ma Goog­le Book Search. Das liegt mit dar­an, dass die Buch­su­che eigent­lich aus zwei Pro­gram­men besteht, die mit­ein­an­der wenig bis nichts zu tun haben (das Biblio­theks- und das Part­ner­pro­gramm näm­lich). Vor allem aber liegt es an der grund­sätz­lich ande­ren Situa­ti­on und Rechts­la­ge in den Ver­ei­nig­ten Staaten.
  • Ein paar nack­te Zah­len: Goog­le hat aktu­ell bereits mehr als 10 Mil­lio­nen Bücher digi­ta­li­siert und voll­text­in­de­xiert. Die­ser Index fließt im Rah­men der soge­nann­ten Uni­ver­sal Search seit eini­ger Zeit auch in die Ergeb­nis­lis­ten von Inter­net-Suchen bei Goog­le ein. Gut 1,8 Mil­lio­nen von den 10 Mil­lio­nen Titeln kom­men von Part­nern, das sind übli­cher­wei­se Verlage.
  • Goog­le stellt weder in den USA noch in Deutsch­land urhe­ber­recht­lich geschütz­te Bücher kom­plett ins Netz!
  • Goog­le tut gern so, als agie­re es rein phil­an­thro­pisch und wol­le nur das in so vie­len Büchern ver­bor­ge­ne Wis­sen der gan­zen Mensch­heit mög­lichst ein­fach zugäng­lich machen. Dem ist natür­lich nicht so. Goog­le ist auch eine ganz nor­ma­le Fir­ma, die Geld ver­die­nen will. Mög­lichst viel natürlich.
  • Goog­le hat des­we­gen sehr früh­zei­tig damit begon­nen, mit gro­ßen US-Biblio­the­ken zu koope­rie­ren und deren Bestän­de zu digi­ta­li­sie­ren. Weil Goog­le natür­lich wuss­te, dass das sonst jemand ande­res macht. Ama​zon​.com zum Bei­spiel. Oder Microsoft.
  • Getreu dem Mot­to „frech kommt wei­ter“ hat Goog­le dabei alles digi­ta­li­siert, was ihm vor den Scan­ner kam. Nur in den USA wohl­ge­merkt. Auch Bücher, die noch urhe­ber­recht­lich geschützt sind. Dar­un­ter waren hier und da auch Wer­ke deut­scher Autoren. Des­we­gen gab es in der hie­si­gen Pres­se eine Mords­auf­re­gung. Hier in Deutsch­land hat Goog­le im Rah­men des Bib­li­to­heks­pro­gramms aus­schließ­lich soge­nann­te gemein­freie Bücher digi­ta­li­siert, die kei­nem Urhe­ber­recht mehr unterliegen.
  • Dass Goog­le das in den USA über­haupt gewagt hat, geht auf das dor­ti­ge Rechts­kon­strukt eines „fair use“ zurück. Goog­le hat das ein­fach mal pro­ak­tiv zu sei­nen Guns­ten aus­ge­legt. Dar­auf­hin gab es Sam­mel­kla­gen („class action suits“) von Autoren und Ver­la­gen, die fair use anders aus­leg­ten. Auch die Sam­mel­kla­ge ist ein US-ame­ri­ka­ni­sches Kon­strukt ohne Ent­spre­chung im deut­schen Recht.
  • Nach jah­re­lan­gen zähen Ver­hand­lun­gen erreich­te Goog­le im Herbst 2008 einen Ver­gleich bezüg­lich der US-ame­ri­ka­ni­schen Sam­mel­kla­gen (wäh­rend­des­sen wur­de natür­lich mun­ter wei­ter­ge­scannt). Die­ser Ver­gleich ist aller­dings umstrit­ten. Ob er in Kraft tritt, dar­über soll am 7. Okto­ber ent­schie­den wer­den. Ob es bei die­sem Ter­min bleibt, ist frag­lich. Eine brei­te­re Ermitt­lung der unter Prä­si­dent Barack Oba­ma neu auf­ge­stell­ten US-Kar­tell­be­hör­den gegen Goog­le könn­te die Ent­schei­dung aufschieben.
  • In Deutsch­land hat sich die Ver­wer­tungs­ge­sell­schaft VG Wort auf­ge­schwun­gen, gege­be­nen­falls die in den USA ver­letz­ten Urhe­ber­rech­te deut­scher Autoren stell­ver­tre­tend gel­tend zu machen, sprich von Goog­le Geld ein­zu­trei­ben und die­ses dann an die hie­si­gen Urhe­ber aus­zu­schüt­ten. Ob es dazu kommt, hängt davon ab, ob der Ver­gleich durch­geht und ob Goog­le da mit­macht. Laut der in der DACH-Regi­on (Deutsch­land, Öster­reich und Schweiz) für die Buch­su­che zustän­di­gen Goog­le-Frau Anna­bel­la Weisl befin­den sich bei­de Sei­ten gegen­wär­tig in einem „kon­struk­ti­ven Dia­log“ – was immer das hei­ßen mag.
  • Der in den USA ange­streb­te Ver­gleich sieht vor, dass Goog­le vor allem urhe­ber­recht­lich geschütz­te Bücher, die nicht mehr ver­legt wer­den („ver­grif­fen“ sind), wie­der öffent­lich zugäng­lich machen will. Dazu wür­den 20 Pro­zent der Sei­ten sol­cher Bücher als Vor­schau ins Netz gestellt. Wer das gan­ze Buch lesen will, kann den Online-Zugriff (via Brow­ser) dar­auf kau­fen. Dabei sind auch Abon­ne­ments für Fir­men und Orga­ni­sa­tio­nen geplant. Die Urhe­ber erhiel­ten dann 68 Pro­zent der Ein­nah­men, die Goog­le mit Wer­bung und Käufen/Abonnements erzie­len würde.
  • Die­ses neue Zugriffs­mo­dell wäre der Stan­dard für urhe­ber­recht­lich noch geschütz­te, aber nicht mehr ver­leg­te Bücher. Ein Rech­te­inha­ber könn­te aber jeder­zeit ent­schei­den, dass er die­se Funk­ti­on lie­ber abschal­ten möch­te – neu­deutsch nennt man so etwas „Opt-out“. Goog­le wür­de über­dies ein unab­hän­gi­ges und gemein­nüt­zi­ges Buch­rech­te-Regis­ter finan­zie­ren, das von Autoren und Ver­la­gen betrie­ben wür­de. Das Regis­ter wür­de die von Goog­le im Rah­men des Ver­gleichs aus­ge­schüt­te­ten Ein­nah­men sam­meln und ver­tei­len sowie idea­ler­wei­se die Zahl „ver­wais­ter“ Bücher verringern.
  • Urhe­ber­recht­lich geschütz­te und immer noch ver­leg­te Bücher könn­te man über Goog­le zwar suchen (und fin­den), aber kei­nen Ein­blick in den Inhalt neh­men. Rech­te­inha­ber, die sich dem Ver­gleich anschlös­sen, könn­ten ent­schei­den, ob sie das beschrie­be­ne neue Zugangs­mo­dell nut­zen oder lie­ber am Part­ner­pro­gramm von Goog­le teil­neh­men wol­len. Die offi­zi­el­len Book-Search-Part­ner könn­ten eben­falls die neu­en Funk­tio­nen Online­kauf und Insti­tu­tio­nel­le Abon­ne­ments akti­vie­ren, wenn sie dies wünschen.
  • Außer­halb der USA wür­de Goog­le den Zugriff auf die von dem US-Ver­gleich betrof­fe­nen Titel sper­ren, und zwar mit­tels IP-Blo­cking. Tech­nisch ver­sier­te­re Nut­zer könn­ten das natür­lich leicht umge­hen. Für die brei­te sur­fen­de Mas­se dürf­te die­se der­zeit ein­zig prak­ti­ka­ble tech­ni­sche Maß­nah­me aller­dings eine aus­rei­chend hohe Hür­de darstellen.
  • Den Ver­kauf der Online-Nut­zung von Büchern (jedoch nicht als „Groß­kun­den­abo“) plant Goog­le laut Anna­bel­la Weisl auch in Deutsch­land, jedoch nur für Wer­ke, die Goog­le über das Part­ner­pro­gramm offi­zi­ell zugäng­lich gemacht wur­den. Die­ser E‑Commerce dürf­te bereits Ende die­ses Jah­res star­ten, die Details müs­sen aller­dings noch fina­li­siert werden.
  • Als Part­ner ist Goog­le bücher nicht zuletzt für Ver­la­ge mit vie­len wenig ver­kauf­ten Titeln („long tail“) inter­es­sant, die dar­auf ange­wie­sen sind, mög­lichst ein­fach gefun­den zu wer­den. Juli­us Mit­ten­z­wei vom Buch­su­che-Part­ner GRIN-Ver­lag berich­te­te von monat­lich immer­hin 250.000 Page Impres­si­ons der GRIN-Titel bei Goog­le bücher und einer höhe­ren Con­ver­si­on Rate als auf den ver­lags­ei­ge­nen Webseiten.
  • Der Publi­zist, Jour­na­lis­ten­kol­le­ge und VG-Wort-Mit­ent­schei­der Flo­ri­an Felix Weyh erklär­te, dass er nach anfäng­li­chen Vor­be­hal­ten Goog­le bücher mitt­ler­wei­le sehr sinn­voll und nütz­lich fin­det. Zum Bei­spiel ange­sichts der Tat­sa­che, dass Bücher von Ver­la­gen inzwi­schen immer frü­her (zum Teil schon nach einem Vier­tel­jahr!) ver­ramscht wer­den. Vie­le Autoren leb­ten aller­dings noch immer im „Ren­ten­pa­ra­dig­ma“, unter dem das Urhe­ber­recht ursprüng­lich ein­mal erson­nen wur­de. Er, so Weyh, sehe einen Ver­lag zuneh­mend nur noch als Bank, der die Arbeit an einem Buch über einen Vor­schuss finan­zie­re. Bis das Netz so weit sei, dass er sei­ne Leser dar­über direkt und ohne zwi­schen­ge­schal­te­ten Ver­lag in aus­rei­chen­der Zahl errei­che, sei Goog­le bücher eine gute Mög­lich­keit, neue Inter­es­sen­ten für die eige­nen Tex­te zu gewin­nen. Sehr lesens­wert ist übri­gens Weyhs Pole­mik „Goog­le – der gro­ße Lite­ra­tur-Räu­ber?“ für das Deutsch­land­ra­dio Kultur.

Was Goog­le bücher betrifft, kann ich ansons­ten jedem nur wärms­tens emp­feh­len, sich die­ses Goog­le-Ange­bot und auch die Erläu­te­run­gen dazu (RTFM, wie man so schön sagt) ein­mal selbst in aller Ruhe anzu­se­hen. Ich glau­be näm­lich nicht, dass das schon beson­ders vie­le Men­schen getan haben. Andern­falls hät­te es vie­le Berich­te und Dis­kus­sio­nen in den letz­ten Mona­ten gar nicht geben dürfen.

Noch gar nicht rich­tig über den gro­ßen Teich geschwappt ist übri­gens eine neue Debat­te über Goo­gles Buch­su­che, das Sett­le­ment Agree­ment und den Daten­schutz. Die Bür­ger­recht­ler von der Elec­tro­nic Fron­tier Foun­da­ti­on (EFF) lau­fen bereits Sturm; Goo­gles Ant­wort fin­de ich aller­dings durch­aus überzeugend.

3 Kommentare

Kommentieren blank

Ich kom­men­tie­re mich ein­fach mal selbst und emp­feh­le zur Erwei­te­rung des Goog­le-bücher-Hori­zon­tes die Lek­tü­re die­ses Stücks beim „The Regis­ter“. Dabei unbe­dingt auch dem Link zu dem Edi­to­ri­al von Brews­ter Kah­le fol­gen! Den Mann bewun­de­re ich sehr, nach­dem ich vor x Jah­ren mal bei einem Abend­essen in Spa­ni­en neben ihm und sei­ner Frau geses­sen habe…

Schreibe einen Kommentar