Leistungsschutzrecht nun doch „Lex Google“?

Der für gewöhn­lich gut unter­rich­te­te Ste­fan Krempl berich­tet bei „hei­se online“, dass das BMJ einen neu­en ent­schärf­ten Refe­ren­ten­ent­wurf zum Leis­tungs­s­schutz­recht für Pres­se­ver­le­ger (@sixtus hat das PDF) vor­ge­legt hat. Die­ser beschrän­ke sich nun­mehr auf die Nut­zung durch Suchmaschinen.

Es ist zwar schön, dass Blog­ger, Frei­be­ruf­ler und inter­ne Fir­men­kom­mu­ni­ka­ti­on nun aus dem Gel­tungs­be­reich des geplan­ten Geset­zes her­aus­fal­len. Jedoch wird die Grund­idee des kli­en­tel­po­li­ti­schen Leis­tungs­schutz­rechts damit nicht logi­scher, das auf­grund von Lob­by­ar­beit von Chris­toph Kee­se und Kon­sor­ten im schwarz-gel­ben Koali­ti­ons­ver­trag gelan­det ist.

[Wobei ich mich schon fra­ge, wie das hier jetzt gemeint ist:]

Ich selbst sit­ze als seit nun­mehr gut 16 Jah­ren fest­an­ge­stell­ter Jour­na­list im sprich­wört­li­chen Glas­haus, möch­te aber trotz­dem mit den eben­so sprich­wört­li­chen Stei­nen wer­fen: Ers­tens ist Goog­le gut für Pres­se­ver­le­ger, und zwei­tens muss sowie­so nie­mand sei­ne Inhal­te von Goog­le erfas­sen las­sen – Stich­wort robots.txt. Das LSR ist damit mei­ner Ansicht nach gleich dop­pel­ter Unfug.

Pres­se­ver­le­ger betrei­ben im Netz schließ­lich längst einen enor­men tech­ni­schen und finan­zi­el­len Auf­wand für Such­ma­schi­nen­op­ti­mie­rung (SEO), damit ihre ver­meint­lich hoch­wer­ti­gen und qua­li­täts­jour­na­lis­ti­schen Inhal­te von Goog­le und ande­ren Such­ma­schi­nen gefun­den wer­den. Und bewei­sen damit selbst, wie wich­tig ihnen der von den Such­ma­schi­nen an sie über­ge­be­ne Traf­fic ist.

Im Gegen­satz zu Goog­le haben die meis­ten Pres­se­ver­le­ger aber noch kei­ne wirk­lich über­zeu­gen­den Geschäfts­mo­del­le für das Inter­net gefun­den. Kei­ne jeden­falls, mit denen sich die aus der glor­rei­chen Ver­gan­gen­heit gewohn­ten Mar­gen zurück­ho­len und die his­to­risch gewach­se­nen Kos­ten­struk­tu­ren ret­ten lie­ßen. In der Fol­ge wird seit Jah­ren nicht zuletzt in den Redak­tio­nen gespart und gestri­chen – was die zu schüt­zen­den Leis­tun­gen jetzt nicht gera­de ver­bes­sert; ein durch­aus fata­ler Teufelskreis.

Sich nun aber bei zuge­ge­ben wirt­schaft­lich flo­rie­ren­den Such­ma­schi­nen wie Goog­le schad­los hal­ten zu wol­len, kann nicht die Lösung sein. Denn die brin­gen den Ver­la­gen schließ­lich vor allem mehr Leser für ihre Inhal­te und Wer­be­an­zei­gen (die, anders als in „guten alten“ Print-Zei­ten oft längst nicht mehr so sau­ber von­ein­an­der getrennt sind wie der Pres­se­ko­dex das eigent­lich vor­schreibt) und stüt­zen damit das ein­zig halb­wegs funk­tio­nie­ren­de Geschäfts­mo­dell für „Pres­se­er­zeug­nis­se“ im Netz.

Ich ken­ne per­sön­lich nie­man­den und kann mir auch über­haupt nie­man­den vor­stel­len, der sei­nen Infor­ma­ti­ons­be­darf über Text­schnip­sel („Snip­pets“) auf Such­ma­schi­nen-Ergeb­nis­sei­ten decken wür­de oder könn­te. Glei­ches gilt auch für den immer wie­der ins Feld geführ­ten Aggre­ga­tor Goog­le News. Der wird nach mei­ner Erfah­rung sowie­so pri­mär von Medi­en-Insi­dern zur Befrie­di­gung per­sön­li­cher Eitel­kei­ten genutzt und ist noch dazu werbefrei (!).

Ich bin jeden­falls ein­fach nur froh, dass es Goog­le und alter­na­ti­ve Such­ma­schi­nen gibt, weil mei­ne Tex­te damit von mehr Men­schen gele­sen wer­den. So ein­fach ist das letzt­lich. Und ich hof­fe, dass mei­nem Arbeit­ge­ber und ande­ren „Medi­en­häu­sern“ oder wie sich Ver­la­ge heu­te auch immer not­ge­drun­gen selbst bezeich­nen, noch nach­hal­ti­ge­re Geschäfts­mo­del­le für das Netz ein­fal­len als „Tchi­bo­i­sie­rung“.

Denn dass Men­schen inzwi­schen für digi­ta­le Inhal­te wie­der durch­aus zu zah­len bereit sind, sieht man an iTu­nes und Co. Das setzt aller­dings vor­aus, dass die­se digi­ta­len Inhal­te den Men­schen auch etwas wert sind. Was zum Bei­spiel für unex­klu­si­ve Agen­tur­mel­dun­gen schwer­lich gel­ten dürf­te. Und es setzt vor­aus, dass das Bezah­len ein­fach ist. War­um nur gibt es noch immer kein weit ver­brei­te­tes Micro­pay­ment-Ver­fah­ren mit so gerin­gen Trans­ak­ti­ons­kos­ten, dass man damit sagen wir mal einen Text im Inter­net für den Preis einer SMS (19 Cent) anbie­ten kann?

Lan­ger Rede kur­zer Sinn: Im Netz leben wir in einer Link-Öko­no­mie. Und was wir des­we­gen als wirk­lich Letz­tes brau­chen, ist ein Leis­tungs­schutz­recht, dass die­se unterminiert.

Update 31. Juli: Inzwi­schen haben sich auch die Ver­le­ger­ver­bän­de BDZV und VDZ zu dem neu­en Refe­ren­ten­ent­wurf geäu­ßert. Der gefällt ihnen angeb­lich mit dem allei­ni­gen Fokus auf Such­ma­schi­nen auch nicht.

„Das wäre ein Frei­fahrt­schein für die Aggre­ga­to­ren, die schon jetzt die Ver­lags-Inter­net­sei­ten absau­gen, um damit Geld zu verdienen“

heißt es von den bei­den Ver­bän­den uni­so­no – was dann auch den oben ein­ge­bet­te­ten Kee­se-Tweet „erklärt“. Wen genau BDZV und VDZ mit „die Aggre­ga­to­ren“ (die Geld ver­die­nen) mei­nen, ist mir aber nicht klar. Goog­le News? Ist wer­be­frei (wie gesagt). Gene­ral-Inte­rest-Por­ta­le wie T‑Online.de und MSN? Da syn­di­zie­ren die Ver­le­ger ihre Inhal­te doch selbst hin für klei­nes Geld und in der Hoff­nung auf mehr Reich­wei­te und Stär­kung ihrer Marken.

Zur wei­ter­füh­ren­den Lek­tü­re emp­feh­le ich übri­gens die Web­sei­te der Initia­ti­ve gegen ein Leis­tungs­schutz­recht (IGEL) für Presseverlage:
[but­ton link=„http://leistungsschutzrecht.info“ color=„green“ target=„blank“ size=„large“]leistungsschutzrecht.info[/button]

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